Das Mundwerk

Der Unterschied zwischen einem Uhrwerk und einem Mundwerk ist beträchtlich.

Das Mundwerk funktioniert mit den Jahren immer besser. Wenn Reparaturen fällig werden, geht es nicht zum Uhrmacher, sondern zum Zahnarzt. Der sorgt für den richtigen Biß.

Die wichtigsten Werkzeuge in einem Mundwerk sind die Zähne und die Zunge. Der Umgang mit ihnen muß geübt werden, da beide Werkzeuge verschiedene Aufgaben haben.

Wer die Zähne zusammenbeißt, gilt als tapfer. Wer sich auf die Zunge beißt, ist bloß ungeschickt.

Zu einem losen Mundwerk gehören eine lockere Zunge und möglichst feste Zähne.

Vom losen Mundwerk zum Maulhelden ist es nur ein winziger Schritt. Oft trennt sie nur ein Zungenschlag voneinander.

Wem die Kunst der Rede nicht in die Wiege gelegt worden ist, hält den Mund. Redselige halten ihn für maulfaul. Die immerfort Redenden laufen Gefahr, eines Tages straffällig zu werden. Wo auch immer sich die Gelegenheit bietet, sind sie drauf und dran, den Gesprächspartner mundtot zu machen.

Straffrei bleibt hingegen, wer Mundraub begeht. Das führt unablässig zu dem Versuch, dem anderen die Butter vom Brot zu nehmen. Der Angegriffene greift zum Mundstück und bläst dem Mundräuber so den Marsch, daß jenem vor Schreck die Spucke wegbleibt.

Das Mundwerk dient nicht bloß zur Aufnahme mundgerechter Nahrung, einem Vorgang, dem es die respektlose Bezeichnung Futterluke verdankt. Auch die Erzeugung aufgeblasener Worthülsen und unzähliger Satzketten ist nicht das Nonplusultra des Mundwerks, das in diesem Zusammenhang schnell zum Großmaul werden kann.

Die vielgerühmten musischen Möglichkeiten des Mundwerks liegen unbestritten auf musikalischem Gebiet. Wer einen Kamm hat, kann blasen, wer die Lippen spitzt, kann pfeifen. Der eine spielt auf der Mundharmonika, der andere pfeift auf dem letzten Loch. Ganz oben aber steht der Gesang. Hier zeigt das Mundwerk, wozu es fähig ist.

Geschätzt ist das Mundwerk nicht zuletzt wegen seiner romantischen Verwendungsmöglichkeiten. Immer wieder werden unzählige Lippenbekenntnisse dafür abgelegt. Zum Beispiel beim Küssen.