Aus einer Diskussion im E-Mail-Forum wissenschaft@evangelium.de stammt folgende Mail von Wolfgang Kuhs an Claudia (Atheistin) über die Ursache des Bösen:


Hallo Claudia,

ich verfolge mit großem Interesse deine Diskussion mit Stephan und Jürgen.

Du schreibst:

"die Frage meinerseits zielt vor allem darauf ab, wie Ihr mit dem Wissen leben könnt, daß ER das Böse zuläßt und geschaffen hat (sage ich jetzt mal so, auch wenn sich alle um ein klares JA drücken. Aber: wer soll es denn sonst gewesen sein, wenn ER doch allmächtig ist und es auch hätte verhindern können??)"

Also ich will mich um keine Antwort drücken und sage Gott hat das Böse zugelassen aber NICHT geschaffen. Gottes Allmacht verstehe ich nicht so, daß ER alles macht und damit für alles verantwortlich ist. Am besten ich formuliere zu diesem Thema einige Thesen und Begriffsdefinitionen.

1. Was ist das Böse?
Wir sprechen über böse Taten wie Mord, böse Menschen wie Adolf Hitler, böse Bücher wie Pornographie, böse Ereignisse wie Erdbeben, böse Krankheiten wie Krebs oder Blindheit, aber was macht all dies böse?

Was ist das "Böse" an sich? Einige sagen, das Böse sei eine Substanz, die gewisse Dinge befällt und schlecht macht, wie ein Virus ein Tier infiziert. Andere meinen, das Böse sei eine mit dem Guten konkurrierende Macht im Universum (wie die "dunkle Seite der Macht" im Film Starwars).

Wenn aber Gott alle Dinge gemacht hat, dann macht ihn das verantwortlich für das Böse.

Deine Argumente lauten so:
a) Gott ist der Urheber von allem
b) Das Böse ist etwas.
c) Daher ist Gott der Urheber des Bösen

Die erste Aussage ist richtig. Ich denke aber nicht, daß das Böse eine Sache oder Substanz ist, ohne zu sagen, daß es nicht real ist. Für mich ist das Böse ein MANGEL, den Dinge erleiden. Sobald einer Sache das Gute fehlt, das sie haben sollte, ist sie böse oder übel.

Beispiel: Wenn ein Mensch in seinem Herzen der Liebenswürdigkeit ermangelt und des Respekts vor dem menschlichen Leben, der doch das sein sollte, dann ist er des Mordes fähig.

Das Böse ist wie ein Parasit, der nicht existieren kann, ausgenommen als ein Schlupfloch in etwas, das an sich geschlossen sein sollte. In einigen Fällen läßt sich das Böse auch als ein Mangel an oder in den Beziehungen erklären.

Wenn ein Ehemann seine Frau ersticht, dann ist nicht das Messer das Böse, sondern die Entscheidung das Beziehungsproblem mit Gewalt zu lösen.

2. Woher kam das Böse?
Der Denkansatz sieht wie folgt aus:

Im Anfang war Gott da und er war vollkommen. Dann machte der vollkommene Gott eine vollkommene Welt. Wenn aber Adam und Eva vollkommen war, wie konnten sie fallen? Die Schlange? - löst das Problem auch nicht, sondern führt die Frage nur auf eine andere Stufe zurück. Hatte Gott nicht auch die Schlange (Teufel) vollkommen gemacht?

Hier mein Lösungsvorschlag.
a) Gott machte alles vollkommen
b) Unter den von Gott vollkommen gemachten Dingen gab es auch FREIE Geschöpfe (Persönlichkeiten)
c) Freier Wille ist die Ursache des Bösen
d) So kann Unvollkommenheit (etwa das Böse) aus Vollkommenheit hervorgehen. Sie ist nicht direkt von Gott gewollt aber indirekt durch die Einwirkung der Freiheit.

Eines der Dinge die Menschen (und Engel) moralisch vollkommen macht ist die Freiheit.

Wir haben eine echte Wahl. Gott machte uns so, daß wir IHM ähnlich sein und in freier Selbstbestimmung lieben könnten. Erzwungene Liebe ist überhaupt keine Liebe, oder??? Aber indem Gott uns so machte, ließ er gleichzeitig die Möglichkeit des Bösen zu. Um frei sein zu können, mußten wir die Möglichkeit haben beides zu wählen das Gute und das Böse. Das war das Risiko das Gott wissentlich einging.

Das macht IHN aber nicht verantwortlich für das Böse. Das ist wie bei einer Ehe oder wenn du ein Kind adoptierst. Du liebst deinen Ehepartner oder du liebst und sorgst für das Kind. Aber bei all deiner Liebe und tiefen Beziehung, besteht immer das Risiko das sich dein Gegenüber von dir abwendet. Liebe und Gemeinschaft kann man nicht befehlen oder einprogrammieren.

Gott schuf die Realität der Freiheit; wir führen die Handlungen der Freiheit aus. Er machte das Böse möglich; wir machten das Böse wirklich. Unvollkommenheit kam aus dem Mißbrauch unserer moralischen Vollkommenheit als freie Geschöpfe.

> Wenn mein 6jähriger Sohn fragt, "Die Gläubigen denken, Gott hat alles erschaffen, wieso hat er denn soviel Gemeinheiten erschaffen?" und ich kann darauf keine Antwort geben,

Ja, Kinder können schon ganz schön knifflige Fragen stellen. Ich erlebe es bei meinen sieben Kids auch ständig. Ich versteh die Frage so:

"Warum tut Gott nichts gegen all das Böse? Wenn er vollkommen und allmächtig ist warum unternimmt er nichts gegen all die Gemeinheiten?"

Ich gebe meinen Kindern folgende Antworten: Zum ersten kann das Böse nicht zerstört werden, ohne auch die Freiheit zu zerstören. Wie schon gesagt, sind freie Wesen die Ursache des Bösen, und die Freiheit wurde uns gegeben, damit wir lieben können. Liebe ist unmöglich ist unmöglich ohne Freiheit. Würde also die Freiheit zerstört - der einzige Weg um das Böse zu bekämpfen – dann wäre das böse in sich selbst. Es würde freien Geschöpfen ihres größten Gutes berauben.

Daher wäre es böse das Böse zu vernichten. Wenn also das Böse überwältigt werden soll, müssen wir es besiegen aber nicht zerstören.

Zum zweiten beweist die Tatsache, daß das Böse immer noch nicht von Gott "weggebeamt" wurde, noch lange nicht, daß er es doch irgendwann einmal tut. Und genau dessen bin ich mir als Christ ganz sicher.

Laß mich zum Schluß noch etwas zu Schmerz und Leid sagen. Schmerz und Leiden kann auch etwas Gutes sein. Schmerzen (z.B. im Zahn) alarmieren mich darüber, daß etwas nicht stimmt. C. S. Lewis der große englische Literat und Apologet hat einmal gesagt: "Gott flüstert mit uns in
unseren Freuden, er spricht in unseren Gewissen, aber er schreit in unseren Qualen. Sie sind sein Megaphon eine taube Welt wachzurufen."

Sicher sind noch nicht alle Fragen zu diesem Thema gestellt und diskutiert. Man könnte ja auch mal die Frage bedenken: Warum läßt Gott das Gute zu? Warum bietet Er uns einen Ausweg aus dem Schmerz und Bösen an?

Ich freue mich auf das Gespräch mit Dir.

Herzliche Grüße
Wolfgang Kuhs